Das Fairness-Barometer 2008

Arbeitgeber und Anbieter erhalten schlechte Noten


Fairness-Barometer 2008 - Hier klicken für eine größere Ansicht
  • Weniger als 40 % der Bürger halten Arbeitgeber und Unternehmen für fair.
  • Über die Fairness der Regierung sind die Bürger sehr gespalten.
  • Medien und Presse werden als recht fair beurteilt.
  • Angela Merkel wird von einem Fünftel der Bevölkerung als besonders fair angesehen.
  • Dem eigenen Umfeld und sich selbst sprechen die Bürger hohe Fairnessqualität zu.


Bürger gehen mit der Fairness von Arbeitsgebern und Unternehmen ins Gericht

Die Fairness-Dynamik - Hier klicken für eine größere AnsichtFrankfurt am Main 2008 - 50 % Prozent der Deutschen beurteilen die Fairness der Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigten als unfair, aber nur 39 % halten deren Verhalten für fair. Ebenso kritisch wird das Verhalten der Unternehmen gegenüber Kunden und Verbrauchern beurteilt: 57 % halten es für eher unfair oder sehr unfair, nur 38 % für fair. Das besagt das aktuelle Fairness-Barometer, das die Fairness-Stiftung erstellt hat. Dazu hat sie bei Infratest dimap eine repräsentative Erhebung in Auftrag gegeben, die Ende 2007 durchgeführt wurde. Dabei sollten die Befragten die Fairness verschiedener gesellschaftlicher Leitgruppen im Rückblick auf das Jahr 2007 beurteilen. Während also Arbeitsgeber und Unternehmen eher ein „mangelhaft“, allenfalls eine „Vier minus“ bekommen, erhält die Bundesregierung die Note 3 bis 4: 44 % halten deren Handeln für eher oder sehr unfair, 48 % hingegen für eher oder sehr fair. Hier ist das Urteil der Bevölkerung sehr gespalten, wobei Personen mit Neigung zur Linkspartei das Regierungshandeln mit 75 % und arbeitslose Menschen mit 63 % deutlicher unfair finden. Auf die Frage nach Persönlichkeiten in 2007, die als besonders fair angesehen werden, landete Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Platz 1, in einigem Abstand gefolgt von Bundespräsident Horst Köhler und dem ehemaligen Bundesarbeits- und Sozialminister Franz Müntefering auf Platz 3.


Fairness ist Bürgern ein besonders wichtiger Maßstab

Die Fairness-Stiftung spiegelt  mit dem Fairness-Barometer den Stand der Fairnessqualität in Deutschland. Auf diese Weise können gesellschaftliche Gruppen erkennen, wie sie wahrgenommen werden und wo sie Handlungsbedarf haben. „Denn bei der Fairness schreiben sich viele – ob Unternehmen oder Einzelpersonen – hohe Werte zu“, beschreibt Dr. Norbert Copray, geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung, die Herausforderung. „Immerhin sehen sich 96 % der Menschen In Deutschland in unserem Fairness-Barometer selbst als fair an. Das ist typisch im Sinne einer positiven Selbstzuschreibung von etwas, das man in hohem Maße für gesellschaftlich erwünscht hält. Doch fair zu sein, ist keine Frage der Selbstzuschreibung, sondern Fairness unterliegt immer auch dem Urteil der anderen.  Das bedeutet, eine faire Einstellung ist durch Handeln und Verhalten glaubwürdig zu machen, schon allein, weil die Menschen Glaubwürdigkeit mit zur Fairness zählen. Und da haben vor allem die Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigten und die Unternehmen gegenüber Verbrauchern die Mehrheit nicht überzeugt“.

Immerhin ist für 90 % der Bundesbürger „Fairness gegenüber Mitarbeitern“ wichtig in der Beurteilung von Unternehmen, wie die Fairness-Stiftung auf Grund einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Puls hervorhebt. Und für 63 % ist Fairness ein entscheidender Maßstab für die Wertschätzung oder Ablehnung eines Unternehmens oder eine Marke (Forsa-Umfrage 2005). Dr. Copray: „Wenn es also bei Produkten oder Dienstleistungen einen Gleichstand im Preis und in der Qualität gibt, dann entscheidet die Fairness, die allerdings nicht nur auf dem Papier stehen darf, sondern überzeugend praktiziert werden will“.


Zwiespältige Wahrnehmung gesellschaftlicher Gruppen

In ihrem privaten Umfeld geben die Bundesbürger vergleichsweise gute Noten in der Fairness: fair finden 79% den Umgang mit Kindern, alten Menschen, Menschen mit Behinderungen und mit Menschen, die anders als die meisten sind. Verglichen mit den 56 % der Bevölkerung, die laut einer Erhebung durch das Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konfliktforschung Langzeitarbeitslosen abwertend bis feindlich gegenüber stehen, ergibt sich für die Fairness-Stiftung:  Menschen schreiben sich und ihrem persönlichen Umfeld hohe Fairnessqualität und damit auch eine hohe Wertschätzung der Fairness zu, haben aber ein Defizit an Respekt und Rücksichtnahme in Bezug auf gesellschaftliche Gruppen, wenn sie diese nicht ihrem persönlichen Umfeld zurechnen.

Die Top Ten der Fairness - Hier klicken für eine größere AnsichtRücksichtnahme, Respekt und Gerechtigkeit sind für 95 % der Bürger die wesentlichen Elemente von Fairness.  Allerdings relativiert sich diese Wertschätzung, wenn gesellschaftlich diskriminierte Gruppen aus der Distanz heraus beurteilt werden. Hier sieht die Fairness-Stiftung Aufgaben für die Regierung, die Länder- und Städteparlamente: Über Gerechtigkeits-, Fairness- und Verteilungsfragen so zu diskutieren und zu entscheiden, dass dabei nicht durch falschen Zungenschlag Vorurteile und Diskriminierungen befördert werden. „Hier gehören auch Gesetze, Regelungen und Gesetzesvorhaben auf den Prüfstand, inwieweit sie eventuell zugleich abschätzige Vorurteile bedienen und Tatbestände halbwegs fair regeln“, so Dr. Copray von der Fairness-Stiftung.  Und von Politikern, Unternehmern und Medienverantwortlichen erwartet Dr. Copray deutlicheres Vorbildverhalten besonders dadurch, dass unfairen Beurteilungen und Verhaltensweisen gegenüber Bevölkerungsgruppen und Einzelpersonen entgegen getreten wird. Copray: „Das ist die beste Ermutigung für andere, es diesen Verantwortlichen gleich zu tun und Verantwortung für Fairness gegenüber Menschen in Schwierigkeiten mit zu übernehmen“.

Wer in einer sozial prekären und schwierigen Lage ist und auch von den anderen als Benachteiligter oder Verlierer angesehen wird, sieht die Gesellschaft selbst mit anderen Augen. 63 % der Arbeitslosen geben der Regierung in der Fairness schlechte Noten („eher unfair“ 36 % und „sehr unfair“ 27%). 76 % der arbeitslosen Menschen finden die Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigen unfair. Und 73 % der Menschen ohne Arbeit bescheinigen den Unternehmen gegenüber Kunden und Verbrauchern Unfairness. Allerdings sehen das auch 54 % der FDP-Wähler und 80% der Links-Wähler so – eine ungewöhnliche Meinungskoalition.


Die Presse schneidet gut ab

Überraschendes fördert das Fairness-Barometer der Fairness-Stiftung im Blick auf Medien zu Tage. 59 % der Bundesbürger halten die Arbeit von Presse und Medien im Rückblick auf 2007 für fair, nur 28 % sehen dabei Tendenzen zur Unfairness. Da sind sich nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen, sind sich Ost und West, Arbeitslose wie Beamte im Urteil einig. Dabei war nach der Berichterstattung, nach Kommentaren und nach Darstellungen von Personen ebenso wie von Situationen gefragt worden. Offenbar geben hier laut Dr. Copray die Bürger vor allem auch den regionalen Tageszeitungen auch ein gutes Zeugnis und stellen unterm Strich für die Medien insgesamt fest, dass überwiegend fair berichtet wird. Über die Medien wird also viel wegen ihrer Unfairness lamentiert, aber sie schneiden wesentlich besser ab als Arbeitsgeber und Unternehmen. Allerdings wäre es für Copray aller journalistischen Ehren wert, auch die knapp 30 % der Bürger, die eher unfaire Tendenzen in den Medien sehen, auch noch mit Fairnessqualität zu überzeugen. Das gute Urteil sollte, so die Fairness-Stiftung, Bestätigung und Ansporn zugleich sein.


20 % der Bürger stellen Kanzlerin Merkel an die Fairnessspitze

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 20 % der Nennungen den Spitzenplatz im Fairness-Barometer 2008 bei der Frage nach der besonders fairen Persönlichkeit im letzten Jahr besetzt, dürfte die meisten erstaunen,  manche den Kopf schütteln lassen und ihre Partei freuen. Für die Fairness-Stiftung ist offensichtlich, dass Merkel für die Bundesbürger einen neuen Regierungs- und Führungsstil  verkörpert, den sich eine beachtlich große Zahl von Menschen auch wünschen: Ausgleich zwischen den Interessengruppen, einigermaßen ausgewogene Lasten- und Vorteilsverteilung zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, Kritik an Auswüchsen bei gleichzeitigem Engagement für Gruppen, die des Schutzes durch den Staat bedürfen. Dieser moderierende Stil kommt bei den Bundesbürgern gut an, weil er moderat ist. Er ist ausgleichend, gibt Maßstäbe vor und dringt auf Mäßigung. Merkel hat in ihrer Parteikarriere dazu viel gelernt und durch die letzte Bundestagswahl das Signal der Bevölkerung aufgenommen: beachte die soziale Frage, praktiziere Fairness nach innen und außen, ermögliche Freiheit und Chancen. Bundespräsident Horst Köhler auf Platz 2 mit 11 % und Franz Müntefering mit 7 % auf Platz 3 signalisieren ebenfalls, dass die Bürger vor allem überzeugt, wenn starke Gruppen besonders zu Leistungsbeiträgen für die Gesellschaft herangezogen und benachteiligte Gruppen durch die Gesellschaft und den Staat unterstützt werden. Hier hat Köhler einen ähnlichen Lernprozess durchgemacht wie Merkel nach dem Leipziger Bundesparteitag der CDU, so dass er heute auch die Fairness der Manager und Unternehmer anmahnt. Und Franz Müntefering mit seiner Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn erfüllte das Fairnessbedürfnis der Bundesbürger im Ausgleich zu den starken Einkommenssteigerungen der Hochverdiener. Zu bedenken ist allerdings, dass bei der Befragung sehr bekannte Persönlichkeiten einen großen Vorteil haben, überhaupt als besonders fair genannt zu werden und einen der vorderen Plätze zu belegen, weil ein größerer Bekanntheitsgrad hier Platzvorteile mit sich bringt.

Wenn das Handeln der Bundesregierung von 48 % der Bevölkerung für fair und von 44 % hingegen für unfair gehalten wird, dann spiegelt dies zugleich zwei fast gleich große Lager in der Wahlbevölkerung wider. Wer also von den Parteien und Politikern am meisten mit fairen Vorstellungen und Handlungen zu überzeugen vermag, wird eine Mehrheit gewinnen können. Denn auf diese Weise werden Spannungen in der Gesellschaft reduziert und die Bürger haben das gute und für sie notwendige Gefühl, in einer halbwegs fairen und gerechten Gesellschaft zu leben, wo Gruppen einander nicht unmäßig übervorteilen.


Fazit

Das Fairness-Barometer 2008 bescheinigt der Regierung und den Medien, bei der praktischen Umsetzung von Fairness halbwegs auf dem richtigen Weg zu sein. Zwar ist die Fairness noch steigerungsfähig, aber immerhin überzeugt die Politik mit knapp 50 % und die Presse mit knapp 60 % die repräsentativ Befragten. Arbeitgeber hingegen haben deutliche Defizite im Umgang mit ihren Mitarbeitern und Unternehmen gegenüber ihren Kunden, stellen die Bundesbürger fest. Dabei werden vor allem Rücksichtnahme, Respekt und Gerechtigkeit auf Seiten der Arbeitgeber und der Unternehmen vermisst, denn diese Elemente machen in der Spitze die Fairness aus. Sich selbst sehen die Bundesbürger als recht fair an und bescheinigen auch ihrem persönlichen Umfeld ausgeprägte Fairness, wobei sie gesellschaftlich Gruppen in der Distanz wie Langzeitarbeitslose selbst eher mit Vorurteilen betrachten. Hier können durch faire Praxis von Verantwortlichen in der Öffentlichkeit, in Unternehmen, in der Politik deutlich motivierende Signale gesetzt werden, um aus dem eigenen Fairnessanspruch niemanden auszugrenzen. Denn Fairness ist den Menschen eine sehr markante, wichtige Orientierung und ein Garant für Rücksichtnahme, Respekt und Anstand, ohne die eine Gesellschaft nicht zusammen zu halten ist. Das Fairness-Barometer spiegelt die Trends in der Bedeutung und Beurteilung von Fairness in der deutschen Gesellschaft. Betrachtet wird das zurückliegende Jahr und damit der Grad an Fairness, der von den Bürgern gesellschaftlichen Akteuren für 2007 zugemessen wird. Die Wahlkämpfe in 2008 und vermehrte Anstrengungen von Unternehmen in Fairnessfragen können die Werte in 2008 verändern.

© Fairness-Stiftung 2008

Studienleitung Fairness-Barometer:
Dr. Norbert Copray, geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung
Langer Weg 18
60489 Frankfurt am Main

Tel. 069-78988144
Fax 069-78988151
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Zum Hintergrund:

Das Fairness-Barometer der Fairness-Stiftung ist eine Studie zur Fairnessqualität in der deutschen Gesellschaft und fußt auf einer empirischen, repräsentativen Erhebung, die durch Infratest dimap am 11. und 12. Dezember 2007 in der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag der Fairness-Stiftung durchgeführt wurde. Befragt wurden 1.000 Personen ab 18 Jahre. Die Fehlertoleranz liegt zwischen 5 Prozentpunkten bei einem Anteilswert von 5 % und 3,1 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 %. Insgesamt wurden 14 Fragen gestellt, davon 5 offene Frage und 9 geschlossene Fragen. Die Antwortmöglichkeiten waren „sehr fair“, „eher fair“, „eher unfair“ und „sehr unfair“. An 100 fehlende Prozent: „teils fair, teils unfair“, „weder noch“ und „weiß nicht/keine Angabe“.